Tobias Spröte

leichte E-Bikes - nur ein Trend?

Einleitung

In der Welt der Zweiradmobilität beobachten wir seit den 2020er Jahren einen bemerkenswerten Trend hin zu leichten und ultraleichten E-Bike-Modellen. Getrieben wurde diese Entwicklung letztendlich von den Anwendern, die verstärkt den Wunsch nach leichten urbanen oder sportlichen E-Bikes direkt oder indirekt an die Hersteller herantrugen. Produktmanager einiger Komponentenhersteller und einige Nischenanbieter von leichten E-Bikes erkannten diesen Trend bereits vor einigen Jahren und begannen entsprechend zu reagieren. Auch wir von Möve gehörten zu diesen Herstellern und präsentierten im Jahr 2019 mit dem Urban:Airy unser erstes sehr leichtes Singlespeed E-Bike, das lediglich 16 kg auf die Waage brachte.

 

Ebenfalls stellten wir das leichte Trekking E-Bike Airy vor, welches mit einer Pinion-Getriebeschaltung und RockShox Luftfedergabel ausgestattet ist und ein Gewicht von 19 kg erreicht.

Langjähriger Fokus auf Reichweite und Leistung

Der Schwerpunkt der ersten E-Bike Generationen lag auf Reichweite und Leistungsfähigkeit. Schneller, höher, weiter war in der ersten Dekade der E-Bike-Entwicklung die Divise, welcher sich die meisten E-Bike-Hersteller verschrieben hatten. Getragen wurde dieser Trend von der Dominanz der Mittelmotoren-Systemhersteller wie zum Beispiel Bosch. Die bauartbedingten Produkteigenschaften dieser Mittelmotoren ermöglichten es mit überschaubarem Entwicklungsaufwand den „Leistungshunger“ der Zielgruppe zu befriedigen. Generell muss man wissen, dass es bei Mittelmotoren einfacher ist die Leistungsfähigkeit zu erhöhen, anstatt das Gewicht oder die Größe zu reduzieren, denn diese Bauart erfordert zwangsläufig den Einsatz eines relativ schweren Getriebes.

Zudem fokussierte sich die Branche in dieser frühen Zeit der E-Bikes auf die Zielgruppe der Best-Ager, also auf eine Zielgruppe die mittels elektrogetriebener Pedalunterstützung, zurück auf das Fahrrad gebracht werden sollte, was im Übrigen auch sehr gut gelang. Diesen Best-Agern folgte eine deutlich jüngere und leistungsorientiertere Zielgruppe, nämlich die der ersten E-Mountainbiker. Diese wollten, ebenfalls vom Mittelmotor angetrieben, die Berge erklimmen und die zusätzlich gewonnene Leistung in neue Geschwindigkeitsrekorde übertragen. Allerdings ähnelten die Fahreigenschaften dieser ersten E-Mountainbikes mehr denen von Motorrädern als denen traditioneller Mountainbikes.

In den ersten Jahren dieses bahnbrechenden E-Bike Erfolgs, also zwischen 2012 und 2018, erkannten neben Bosch immer mehr Komponentenhersteller die Chance auf ein zweistelliges Wachstum in einem aufstrebenden Markt und begannen damit sich Marktanteile zu sichern und dem Platzhirsch Bosch nachzueifern. Die Folge war die jährliche Markteinführung immer neuer Mittelmotor-Antriebssysteme wie beispielsweise denen von Brose, Yamaha oder Shimano. Doch alle hatten eines gemeinsam, nämlich – mehr Drehmoment an der Tretlagerachse, wobei sich die Produkte in Nuancen wie beispielsweise in der Getriebefunktion oder bei den Gehäusematerialien unterschieden. Anbieter von Nabenmotoren fristeten zu dieser Zeit in Deutschland, maßgeblich auch verursacht durch die technische und anschließende wirtschaftliche Pleite des Bionix Nabenmotors ein Schattendasein.

Vivax und Fazua als Wegbereiter für leichte E-Bikes

Bereits im Jahr 2017 fiel mir persönlich das zu dieser Zeit bereits serienreife Antriebssystem des österreichischen Herstellers Vivax, der Vivax-Assist-Motor auf. Dieser speziell für Rennräder zur Nachrüstung im Sattelrohr entwickelte Antrieb wurde über einen pfiffig im Boden einer Trinklasche versteckten Akku mit Energie versorgt und über ein spiralverzahntes Kegelpaar mit der Tretlagerachse gekoppelt. Dieser E-Bike-Antrieb verfolgte erstmals einen anderen, nämlich vom Drehmoment unabhängigen, Ansatz, denn die zusätzliche Antriebsenergie wurde Kadenz gesteuert eingebracht. Dies führte beim Pedalieren zu einem dem Radfahren sehr vergleichbaren Fahrgefühl und war insbesondere für ambitionierte Rennradfahrer interessant. Diese kamen mit dem Vivax-Assist-Motor nun auch in den Genuss des elektrisch unterstützten Pedalierens ohne sich aber gleichzeitig als E-Radler offiziell outen zu müssen. Ich glaube sogar, dass der Vivax-Assist-Motor der Grund für die ersten E-Dopingfälle im Radrennsport war, was aber gleichzeitig das Potenzial dieser Technologie, insbesondere für die Entwicklung sehr leichter E-Bikes wie der Modellgruppe der Rennräder, bekräftigte. 

Einen anderen aber ebenfalls technisch sehr anspruchsvollen Ansatz verfolgte das Start-up Fazua, welches erstmals im Jahr 2014 im Rahmen einer erfolgreichen Series A Finanzierung des Hightech Gründerfonds auf sich aufmerksam machte. Wir lernten die Gründer seinerzeit bei den Pitch-Veranstaltungen des HTGF kennen, als wir unsere cyfly-Technologie präsentierten.

Das Münchner Start-up mit dem gleichnamigen Mittelmotor-Antrieb verfolgte den innovativen Ansatz den Elektromotor vom Tretlagergetriebe zu entkoppeln. Das Getriebe wurde dazu fest im Bike verbaut und über eine entnehmbare Intube-Akku-Elektromotoreinheit für das elektrisch pedalgestützte Fahren aktiviert. Dies führte zu der einzigartigen Möglichkeit, dass das E-Bike nach der Entnahme der schweren Elektromotor-Akkueinheit als nahezu normales Fahrrad benutzt werden konnte und somit der erste serientaugliche Hybrid eines E-Bike fähigen Biobikes war. Fazua gelang später der Durchbruch im Massenmarkt der leichten E-Mountainbikes und wurde im August des Jahres 2022 vollständig von Porsche übernommen.

Mahle sorgt für den Durchbruch mit einem durchdachten Antriebssystem für leichte E-Bikes

Mahle, ein wie Bosch bekannter Zulieferer aus der Automobilbranche, erkannte den Trend zum leichten E-Bike und stellte über die spanische Ausgründung Mahle Smartbike Systems S.L.U. im Jahr 2018 mit dem ebikemotion X35 das erste massenmarkttaugliche E-Bike-System für E-Gravel und E-Rennräder vor. Dazu kombinierte Mahle einen nach eigenen Angaben selbst entwickelten sehr leichten Hinterrad-Getriebemotor mit einem gewichtsoptimierten 250 Wh Akku für das Unterrohr. Das Systemgewicht der kompletten Antriebseinheit lag damit erstmals unter 4kg und konnte skalierbar in großen Stückzahlen produziert werden, was in der Folge zum Erscheinen von zahlreichen leichten und ultraleichten E-Bikes führte. Was Mahle zu dieser Zeit eigentlich nicht geplant hatte, sich aber später als einer der wesentlichen Gründe für den sehr schnellen Durchbruch dieses Systems herausstellte, war die Tatsache das viele Hersteller den Einsatz des E-Systems für schicke und leichte Design E-Bikes für die Stadt umwidmeten, um dem kometenhaften Erfolg der zu dieser Zeit erschienenen Marke VanMoof mit technisch nicht ganz so innovativen, aber ausgereifteren MeToos nachzueifern. Damit war das Urban E-Bike geboren und sorgt bis heute für die schnelle Verbreitung leichter E-Bikes, die an das ursprüngliche und von Liebhabern geschätzte klassische Fahrrad erinnern.

Der Akku als Gewichtstreiber

Doch wie gelang es Mahle das Systemgewicht auf unter 4 kg zu reduzieren? Im Wesentlichen „kocht“ Mahle natürlich auch nur mit „Wasser“. Dennoch entschieden sich seinerzeit mutige und kluge Produktmanager bei Mahle zu drei wesentlichen Kompromissen bzw. Lösungsansätzen. Zum einen wurde der Akku als maßgeblicher Gewichtstreiber in seiner Größe „kastriert“ und für längere Touren ein zusätzlicher Range Extender Akku (Powerbank) in Form einer Trinkflasche angeboten, der einfach mit der Ladebuchse des Haupt-Akkus verbunden werden konnte. Zum anderen wurde der Akku als festverbautes Element im Unterrohr ausgelegt, was einen schweren und sperrigen Akku-Träger mit integriertem Akku-Schloss, welcher bei semiintegrierten Akkus benötigt wird, überflüssig macht. Die Ingenieure von Mahle machten sich dabei folgendes Wissen zu Nutze:

Leichte E-Bikes können auf ebenen Strecken und ohne starken Gegenwind relativ einfach beschleunigt werden, insbesondere wenn die Zielgruppe sportlicher und jünger ist d.h. es wird relativ wenig Energie des Akkus für das Beschleunigen benötigt.

Mit leichten E-Bikes ist es auf ebenen Strecken und ohne Gegenwind relativ einfach möglich, deutlich über 25 km/h zu fahren d.h. in diesen Situationen wird keinerlei Energie aus dem Akku benötigt, da die Elektrounterstützung in Deutschland ab 25 km/h abgeschaltet werden muss.

Leichte E-Bikes für sportlichere Nutzer benötigen nicht so viel Drehmoment, wodurch der Motor generell kleiner und leichter ausgelegt werden kann.

Die durchschnittlich zurückgelegte Distanz mit dem E-Bike beträgt lediglich 10,3 km, d.h. es wird im Durchschnitt und im täglichen Gebrauch auch kein Akku mit viel Energie benötigt, zumal für längere Touren die optionale Powerbank zur Verfügung gestellt wurde.

Ein leichtes E-Bike kann zum Abstellen in den Keller oder in die Wohnung auch komplett getragen werden, d.h. die Entnehmbarkeit des Akkus ist nicht zwingend nötig, was den Einsatz eines leichteren fest verbauten Akkus ermöglicht.

Beim ebikemotion X35 bwz. beim späteren X35+ hat Mahle demzufolge auf einen leistungsärmeren Getriebemotor in der Hinterradnabe und einen kleineren fest im Rahmen verbauten Akku gesetzt. Leichte E-Bikes basieren daher aktuell nicht wie die meisten denken auf einer rasanten Optimierung der Energiedichte der Akkus, sondern sind der Kompromissfreudigkeit der Anwender und dem Mut der Entwickler „geschuldet“.

Natürlich wird das Gesamtgewicht von E-Bikes in der Zukunft von der wachsenden Energiedichte der Akkus profitieren. Moderne Lithium-Ionen-Akkus erreichen heute eine Energiedichte von bis zu 140 Wattstunden pro Kg. Experten gehen davon aus, dass sich die Energiedichte bis zum Jahr 2030 auf 300 bis 350 Wattstunden pro Kg Masse steigern wird. 

Solange werden die Hersteller von leichten E-Bikes weiterhin Kompromisse eingehen müssen und andere Lösungsansätze suchen, um die Bikes noch leichter zu machen. Vielversprechende Ansätze sind dabei die weitere Gewichtsoptimierung der E-Motoren und die Reduktion des Gewichtes von relevanten E-Bike-Komponenten wie dem Rahmen durch Maßnahmen wie den Materialleichtbau.

Fazit

Der Trend zu leichteren E-Bikes ist mehr als nur eine Modeerscheinung – er ist ein Symbol für Innovation und zukunftsorientierte Mobilität. Diese leichten E-Bikes der neuen Generation bieten verbesserte Handhabung, Agilität und ein authentisches Fahrgefühl, das dem eines traditionellen Fahrrads sehr nahekommt. Sie sind ideal für Menschen, die in der Stadt leben und ein leicht zu manövrierendes, umweltfreundliches Transportmittel suchen. Ebenso profitieren sportlich aktive Nutzer von der Kombination aus Bewegung und Unterstützung durch den Motor.

Von eleganten Stadträdern bis hin zu robusten Tourenrädern – die Bandbreite leichter und ultraleichter E-Bikes zeigt, dass mittlerweile für jede Vorliebe und jeden Bedarf das passende Modell verfügbar ist. Die Zukunft der E-Bike-Innovationen sieht vielversprechend aus. Fortschritte in der Akkutechnologie, optimierte Motorbauweisen und der Einsatz innovativer Materialien werden weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Ein maßgeblicher Durchbruch wird in den nächsten zehn Jahren zu erwarten sein, wenn sich die Energiedichten der Akku-Zellen verdoppelt und das Akkugehäuse als tragende Struktur im Rahmen integriert werden wird. 

Leichte E-Bikes repräsentieren eine perfekte Kombination aus technologischer Innovation, nachhaltigem Design und praktischer Alltagstauglichkeit und werden in Zukunft die Regel statt aktuell noch die Ausnahme sein. Leichte E-Bikes stehen schon jetzt für eine spannende Zeit in der Welt der Zweiradmobilität, die sowohl für Enthusiasten als auch für alltägliche Fahrradnutzer attraktiv sind.